Für den 1. Oktober rief die Friedensbewegung bundesweit zu dezentralen Aktionen auf. Diesem Aufruf folgten in Braunschweig knapp 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zur Kundgebung vor dem Schloss. Etwa 80 Menschen beteiligten sich anschließend an der Demonstration durch die Braunschweiger Innenstadt. Aufgerufen hatte die Regionalgruppe Braunschweig der IPPNW, das Friedensbündnis Braunschweig, sowie das Friedenszentrum Braunschweig e.V.
Im folgenden dokumentieren wir den Beitrag von Werner Hensel während der Kundgebung vor dem Schloss.
„Liebe Friedensfreundinnen, liebe Friedensfreunde,
„Waffenstillstand und Verhandlungen“ fordert die Friedensbewegung, um den Krieg in der Ukraine zu beenden.
Zur Klarstellung an die Adresse derjenigen, die diese Forderung als putinfreundlich bezeichnen: Die Friedensbewegung hat den Angriff Russlands auf die Ukraine von Anfang an als ein völkerrechtswidriges Verbrechen verurteilt – wie jeden anderen Angriffskrieg auch.
Wer meint, die Forderung nach „Waffenstillstand und Verhandlungen“ sei illusorisch, muss sich darüber klar sein, was die Alternative zu „Waffenstillstand und Verhandlungen“ ist.
Die Alternative ist jahrelanger Krieg, mit ungezählten Toten, zerstörten Städten und Landschaften. Am Ende stehen dann doch Verhandlungen und ein Vertrag zwischen wahrscheinlich erschöpften Kriegsparteien auf den Trümmern jahrelangen Krieges.
Ein solches Szenario gab es in Mitteleuropa vor 400 Jahren schon mal. Der 30-jährige Krieg wurde 1648 nach jahrelangen Verhandlungen mit einem Friedensvertrag beendet. Ganze Landstriche lagen in Trümmern, ca. 40 % der Bevölkerung war tot – durch Kriegseinwirkung, Hunger, Pest – die Kriegsparteien waren erschöpft.
Wir haben keine 30 Jahre Zeit, auf einen solchen Vertrag zwischen erschöpften Kriegsparteien zu warten. Weil „unser Planet brennt“ – wie es der UN-Generalsekretär in der letzten Woche feststellte. Und weil die Menschheit Waffen besitzt, die innerhalb von 3 Minuten soviel Schaden anrichten wie der gesamte 30-jährige Krieg.
Wenn am Ende eines Krieges immer Verhandlungen und ein Vertrag stehen, kann man gleich damit anfangen!
Es gibt einen Vorschlag für Verhandlungen der italienischen Regierung aus dem Mai – ein erstes Ziel sei, lokale Kampfpausen zu erreichen, danach solle ein Waffenstillstand, die Arbeit an der Neutralität und am Ende ein Friedensabkommen folgen.
Der mexikanische Präsident hat letzte Woche einen Vorschlag für eine diplomatische Offensive durch eine Kommission, bestehend aus dem indischen Premierminister Modi, dem UN-Generalsekretär Guterres und Papst Franziskus gemacht.
Wir fordern von der Bundesregierung, dass sie diese diplomatischen Initiativen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln unterstützt anstatt den Krieg mit Waffenlieferungen anzuheizen.
„Waffenlieferungen eskalieren und verlängern den Krieg“ heißt es im Aufruf zu unserer Kundgebung.
Wir fordern den Stopp aller Waffenexporte. Diese nützen nur den Aktionären von Rheinmetall und Co. Die verdienen nicht nur am Ukraine-Krieg, auch der Krieg im Jemen wird mit deutschen Waffen verlängert. Jede Verschärfung des Ukraine-Krieges durch Lieferung immer stärkerer Waffen macht den Einsatz von Atomwaffen wahrscheinlicher.
Wir weisen die Aussage der deutschen Außenministerin „Unsere Waffen helfen, Menschenleben zu retten.“ zurück. Mit einer solchen Aussage, und dem unerträglichen Kriegsgeschrei von verantwortungslosen Politikern sollen wir daran gewöhnt werden, dass der einzige Ausweg aus dem Krieg dessen Verschärfung ist – dass man Feuer am besten mit Benzin löscht.
Aber: Ein Leopard 2 ist kein Rettungswagen, er ist eine Tötungsmaschine!
Wir sollen vergessen, dass in einem solchen Panzer junge Menschen sitzen, von denen bei einem Treffer nichts als Asche bleibt. Wir sollen vergessen, was an der Stelle passiert, wo eine Artilleriegranate oder eine Drohne einschlägt.
So wie den jungen Soldaten in ihrer Grundausbildung die Hemmung abgewöhnt wird, ihresgleichen zu töten, soll uns abgewöhnt werden, Verhandlungen, Verträge und Frieden besser zu finden als Krieg.
Die Verantwortung für die Verschärfung der Kriege haben Politiker und Medien gleichermaßen. Auch verbale Abrüstung ist ein erster Schritt zur Verhandlungslösung!
„Milliarden für gerechte und soziale Friedenspolitik“ steht in unserem Aufruf.
Ich hatte eingangs erwähnt, dass wir keine 30 Jahre Zeit haben, auf Frieden zu warten.
Wir müssen in kürzerer Zeit die großen Menschheitsprobleme lösen:
- den Klimawandel stoppen – dafür lohnt sich ein Sondervermögen!
- die Menschheit ausreichend ernähren und mit sauberem Trinkwasser versorgen – dafür reicht ein Bruchteil der Rüstungskosten!
- die Ungleichheit zwischen Arm und Reich beseitigen.
Solange Krieg herrscht, solange immer mehr Geld für die Rüstung verpulvert wird, ist an eine wirksame Bekämpfung der Klimakrise nicht zu denken.
Deshalb bleiben wir dabei: Die Waffen nieder!
Wir fordern den „Stopp der katastrophalen Wirtschafts- und Finanzblockaden, unter denen die Menschen weltweit leiden.“ Offensichtlich haben die Embargos gegen Russland den Krieg nicht verkürzt. Sie haben katastrophale Auswirkungen auf die wirtschaftliche Lage – nicht nur bei uns. Wenn Deutschland noch in der Lage ist, auf dem Weltmarkt Energie zu jedem Preis zu kaufen, können dies die armen Länder nicht mehr und leiden noch stärker.
Die Schriftstellerin Daniela Dahn sagt zu diesem Thema: „Ob Fracking-Gas aus den USA oder Öl aus Katar und Saudi-Arabien – kein einziger der hektisch neu gewonnenen größeren Öl- und Gaslieferanten hat ein moralisch saubere Weste – wirklich keiner.“
Die Wirtschafts-Embargos gegen Russland wurden wegen des völkerrechtswidrigen Krieges gegen die Ukraine beschlossen. Mit derselben Begründung könnten die wirtschaftlichen Beziehungen zu den USA, Saudi-Arabien, Vereinigte Arabische Emirate beendet werden. Oder war der Krieg gegen Jugoslawien, gegen Irak, aktuell im Jemen etwa völkerrechtskonform? Schluss mit der Doppelmoral!
»Der einzige Weg vorwärts« bestehe in der »Logik von Kooperation und Dialog« – betonte UN-Generalsekretär Guterres. Die Sprengung der Gas-Pipelines – durch wen auch immer – zeigt, wie empfindlich unsere Infrastruktur ist. Unterseekabel, Pipelines, über- und unterirdische Energieversorgung sind nicht für Kriegszeiten gemacht.
Es liegt an uns, diese Logik von Kooperation und Dialog durchzusetzen. Am letzten Freitag war FFF wieder auf der Straße, heute die Friedensbewegung, demnächst hoffentlich die Proteste gegen die Teuerung.
Erfolgreich wären wir gemeinsam: Die Umweltbewegung, die Friedensbewegung, die Gewerkschaften und sozialen Initiativen – uns geht es um dieselbe Sache: Ein Leben in Frieden, sozialer Sicherheit in einer lebenswerten Umwelt.“
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